HOMENAJE IN MEMORY OFBIBIena Houwer


Bibi in Montmel 2002 collage Maï T


Erinnerung an Bibiena Houwer

wir begegneten uns an einem frühen abend im november 1978 in der u-bahn auf der höhe Siegestor richtung Münchner Freiheit.
es war liebe auf den ersten blick und bald haben wir angefangen miteinander filme zu machen.
Bibiena war eine begnadete künstlerin und sie hatte eine unermüdliche energie sowie jede menge gute laune.
in dem film Mono, den Bibiena und ich 1979 gemeinsam produzierten, sagt sie: "Ich bin schon aufgeregt geboren".
sie schrieb, sie spielte klavier und zeichnete und malte sehr schöne bilder.
die erste ihrer bilderserien, deren entstehung ich miterlebte, hiess Bauarbeiter.
das malen hat sie eigentlich immer praktiziert, malen und zeichnen: story-bords, tinte, tusche, gouachen, acryl- und ölbilder.
Bibienas mutter ist schriftstellerin und das ist auch an Bibiena nicht spurlos vorübergegangen; unser gemeinsames drehbuchschreiben war ein tägliches ritual.
das filmemachen hat sie sicher von der wiege an mitbekommen, denn ihr vater ist filmproduzent.
und immer schreiben: projekte, briefe, texte.
alles nebeneinander her, je nachdem, wozu sie gerade lust hatte, was sie inspirierte und welche form der jeweilige inhalt verlangte.
darin waren wir uns einig: kunst ist inhalt.
es ging immer um die sache, um einen engagierten inhalt und die form war die jeweils darausfolgende nötige-und-schön-zu- machende konsequenz.
zwischen januar 1979 und august 1980 drehten wir zusammen drei filme.
im herbst 1980 sind wir von Schwabing über Berlin, Frankfurt und London nach Manhattan gezogen, wo wir weitere zwei spielfilme realisierten.
gleichzeitig studierte Bibiena an einer film-und fernsehschule.
es war alles zusammen Ein endloser beautiful arbeitstag und liebe gute nächte.
1983 ging Bibiena nach europa zurück.
vor ihrer abreise spielte sie die hauptrolle in einer verfilmung von Nadja.
TBone Wright war Andre Breton, J.Waltemath führte regie und ich machte die kamera.
im sommer 1984 haben wir einen monat lang jeden tag zusammen an einem drehbuch gearbeitet.
dafür hat sie die storyboards gemalt.
das war in München.
dann ist sie mit einem freund auf dem motorrad nach afrika gefahren.
in den darauffolgenden jahren besuchten wir uns regelmässig - in München, Berlin, Hamburg, Amsterdam und Paris- und halfen einander.
wir führten gesprächen über die liebe die freundschaft die kunst und über das leben allgemein und beleuchteten die politischen verhältnisse und die widersprüche dieser gesellschaft in der wir uns befinden.
in der zeit vor Chernobyl lebte Bibiena glücklich in Berlin.
da hat sie zum beispiel die steine- und pflanzen bilder gemalt.
gleich nach der Chernobl-katastrophe zog sie nach Amsterdam um, fast über nacht.
sie fing an grossformatige menschenbilder und szenen aus dem alltag zu malen.
sie wohnte in der Kanaalstraat und ich habe sie dort mehrmals besucht.
für eine zeit hatte sie ein riesiges atelier in einer besetzten fabrik.
ebenda habe ich im november 1988 eine austellung mit neuen bildern für die galerie Hoffman in amsterdam vorbereitet, während sie gerade die gesamte fassade der fabrik mit heiligenfiguren bemalte.
mit dem gedanken daran, der amsterdamer bevölkerung die heilige aufgabe der kunst vor augen zu führen.
1989 kam Bibiena anlässlich ihrer ausstellung mit malerei in der galerie J.Boulanger nach Paris.
1991 hatte ich zufällig eine ausstellung mit farbigen holzschnitten in einer galerie in Mannheim, also genau in der stadt wo sie inzwischen zusammen mit ihrem ehemann Tom lebte und arbeitete.
meine lebensgefährtin Maï T und ich wohnten bei ihnen in der alten wäscherei, frischten unsere erinnerungen auf und berichteten gegenseitig was seit dem letzten treffen passiert war.
Bibiena zeigte uns ein video mit der aufzeichnung ihrer inszenierung der Brotfabrik von Brecht, ihre aktuellen gemälde und erzählte von anstehenden wandmalerei-aufträgen.
in Mannheim wurde auch Bibienas und Tom´s sohn Alexander geboren.
1992 zogen Maï T und ich von Paris nach italien und die darauffolgenden jahren haben wir uns viel geschrieben.
1995 traf ich Bibiena in München wieder, zu einem abendessen, das ich mit einem freund veranstaltete.
um diese zeit herum zogen Bibiena und Tom nach schloss Bröllin, in Mecklenburg-Vorpommern, wo wir sie im sommer 1996 das erste mal besuchten.
Alexander ging schon in den kindergarten.
Bibiena hatte für relativ wenig geld ein häuschen vor dem schloss gekauft und war aktiv in der theaterszene im schloss beteiligt.
sie begann selbst theaterstücke zu verfassen, die sie auch produzierte und inszenierte, wie zum beispiel 1997 Die Wettermaschine.
Tom hatte das bühnenbild entworfen.
das stück wurde im schloss Bröllin geprobt und dann in den stadttheatern der umgebung aufgeführt.
ich filmte mit video die letzten probewochen und die ersten drei aufführungen, während Maï T mit den schaupielern, die zumeist aus Berlin kamen, arbeitete.
um die adventszeit 1998 trafen wir uns mit Bibiena in München.
damals war sie schon ganz in ihr Berliner raw-temple projekt verwickelt.
Tom war mit Alexander nach Amsterdam gezogen.
Und nach einigem hin- und herfahren zog auch sie nach Amsterdam, um wieder näher bei ihrem sohn zu sein.
2001 und 2002 hat uns Bibiena mit Alexander in Barcelona besucht.
die erziehung ihres sohnes war ihr sehr wichtig.
das hat sie ernst genommen und das war sehr schön zu beobachten wie sie Alexander jeden tag eine bestimmte zeit ihre ganze aufmerksamkeit widmete.
auch das klavierspielen hat sie hochgehalten und an ihren sohn weitergegeben.
Barcelona gefiel Bibiena sehr: wir gingen zusammen ins theater und in konzerte und besuchten galerien und museen und machten ausflüge mit dem auto die küste hinunter richtung Tarragona und ins katalanische hinterland.
es gab köstliches essen und heitere gespräche.
damals nahm Bibiena Voltaire´s Candide, den ich 1985-1987 als filmidee bearbeitet hatte, als Welttheater-projekt in angriff.
sie hatte grosse pläne dafür und Maï T und ich sollten auch mitarbeiten.
ich gab ihr alle meine drehbücher und aufzeichnungen zum thema mit.
sie hatte schon zusagen von theatermachern und musikern aus holland und deutschland für das projekt.
wir haben öfters miteinander telefoniert.
in Amsterdam zu leben war dieses mal hart für Bibiena.
sie musste die erfahrung machen, dass menschen sie professionell ausklammern.
sie bekam effektiv keine jobs, obwohl sie hervoragend organisieren, auftreten und öffentlich- auch vor grösserem publikum- überzeugend sprechen konnte.
es war bekannt wo sie politisch stand, denn sie hatte sich schon seit jahren überlegt, aktiv in die realpolitik einzusteigen und das war auch die zeit, als das europaweit einstmals so vorbildlich liberale holland langsam aber sicher auf reaktionär umschaltete.
Bibiena steckte in einer zwickmühle: sie konnte ihr Berliner raw-temple projekt nicht zu ende bringen, weil Tom in Amsterdam wohnten musste und Alexander brauchte beide eltern.
aber Amsterdam war eben für sie nicht das richtige fahrwasser und nicht zuletzt auch deshalb, weil die holändischen männer nicht ihr cup of tea waren.
das hat sie in dem romanfragment Nie Da Landen unter anderem gut zur sprache gebracht.
als sie mich eines tages anrief und mir mitteilte, dass sie gerade fast gestorben sei, in letzter minute operiert worden war und krebs hätte und nun nicht wüsste, wo das alles hinführen würde, da war das voll katastrophal-blöd -schrecklich.
in der zeit ihrer genesung von der operation hat sich Bibiena sehr mit der krebskrankheit und den diversen behandlungsmethoden, beziehungsweise den profitmachenschaften der pharma-industrie und gewisser ärtzte-lobbies, auseinandergesetzt und suchte nach einem persönlichen weg zur heilung.
und für eine weile schien es, als ob sie wieder gesund werden würde.
im frühjahr 2005 kam es leider anders.
selbst die als letzte möglichkeit erwägte chemotherapie brachte keine besserung.
wir telefonierten: Bibiena wünschte sich, dass ich noch einmal für sie koche.
ich musste gerade nach Berlin.
von dort rief ich sie an, um sie vielleicht auf dem rückweg in Amsterdam zu besuchen.
sie hatte grosse schmerzen.
"die medikamente schlagen nicht mehr an", sagte sie und ausserdem sei ihre mutter auf dem weg, um sich um sie zu kümmern.
also war keine zeit mehr für schmoorgurken, fleischplanzerl und risipisi.
einige tage vor Bibienas himmelfahrt hatte ich einen schönen traum.
darin hatte sie es geschafft, das budget für das Candide-Welttheater projekt zu organisieren und wir waren alle voller tatendrang loszulegen.
am nächsten morgen rief ich sie an und erzählte ihr von meinem traum.
sie wird wohl milde gelächelt haben, aber sie konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren.
Maï T und ich verabschiedeten uns von ihr.
Sayonara Liebe Bibiena ruhe in Frieden und auf Wiedersehen bis die tage auf wolke Sieben!
Dein Harald und Deine Maï T, Barcelona, 12.Dezember, 2006.

Bibiena Houwer
filmographie in co-produktion mit Harald V Uccello

Schwärmer, 1978. 40´,16mm, s-w. schnitt-mitarbeit (filmmaterial: Rob Houwer).
Mono, 1979. 70´, S-8, farbe. drehbuch-mitarbeit, darstellerin, schnitt-mitarbeit.
Anabelle, 1980. 40´, S-8, farbe. drehbuch-mitarbeit, darstellerin, schnitt-mitarbeit.
Henny, 1980. 40´, S-8, farbe. drehbuch-mitarbeit, darstellerin, aufnahmeleitung, schnitt-mitarbeit.
Only You, 1981-82. 75´, S-8, farbe. drehbuch-mitarbeit, tonaufnahme, schnitt-mitarbeit.
O.K.Today Tomorrow, 1983. 90´, S-8, farbe. drehbuch-mitarbeit und storyboard, aufnahmeleitung, schnitt-mitarbeit.

Drehbuchmitarbeit:
Goldregen, 1984.
Candide oder Die Aufzeichnungen des Onkels, 1985-87.

http://www.mioch.net/html/mannheim_wandbilder.html

http://www.raw-tempel.net/presse/1999/sep17.htm